Kopf des Monats

Eugen Schwammberger

SGL: Lieber Eugen, seit Jahrzehnten zählst du nicht nur in der Innerschweiz zu den häufig am Schachbrett anzutreffenden Turnierspielern, sondern warst lange Zeit als Präsident der "altehrwürdigen" Schachgesellschaft Luzern auch einer der wichtigsten Schachfunktionäre in der Region. Erzähle mal, gab es in deinem Geburtsjahr vielleicht schachliche Highlights in der nationalen und internationalen Schachwelt?

ES: In meinem Geburtsjahr 1933 ereignete sich schachlich eigentlich nichts Erwähnenswertes. Sowohl der Schweizerische Schachverband (gegründet 1889) wie auch die FIDE (gegründet 1924) steckten noch in den Kinderschuhen.

SGL: Für zahllose, heute "mittelalterliche" Spieler war der Jahrhundert-WM-Match 1972 zwischen Fischer und Spasski in Reykjavík die Initialzündung für das Hobby Schach. Bei dir liegt wohl diese motivierende erste Begegnung mit dem Schachspiel noch weiter zurück - welche war das?

ES: Ja, bereits mit fünf Jahren brachten mir meine vier älteren Brüder das Königliche Spiel bei. Dies ergab, dass ich bereits mit zwölf Jahren in dem neugegründeten Schachklub Villmergen mitspielte.

SGL: Was hat dich im Jahre 2009 bewogen, als Mit-Gründer den Verein "Zentralschweizer-Schach-Senioren" (ZSS) aus der Taufe zu heben?

ES: Der Anstoss zur Vereinsgründung des ZSS kam eigentlich von Beat Abegg. Dann übernahm ich die Organisation des inzwischen bereits 14-jährigen Vereins.

SGL: Du warst immer und bist auch heute noch ein leidenschaftlicher und sehr aktiver Schachfreund. In jüngeren Jahren verzeichnete dich die Schweizer Rating-Liste einmal mit stattlichen 2031 Elo-Punkten. Aktuell bist du auch als "fleissiger" Schachsenior unterwegs. Was fasziniert dich am Schachspiel am meisten, und dann über so lange Zeit hinweg?

ES: Das Schachspiel ist ein vielseitiger, fairer Wettkampf. Und es erfordert mentale und intellektuelle Fähigkeiten.

SGL: Dein Präsidium der SG Luzern fiel in eine Hochblüte der regionalen und nationalen Schach-Szene. Wie schätzt du die Entwicklung und Breitenwirkung des Schachsports in der Innerschweiz seither ein?

ES: Meiner Meinung nach ist die Breitenentwicklungs des Schachsports in der Innerschweiz leider eher bescheiden.

SGL: Fällt dir ein besonderes Highlight bezüglich Schachturniere ein, das in deine SGL-Präsidentschaft fiel?

ES: Ein besonderes Highlight meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Schachorganisator waren damals die Doppelmeisterschaften Schach&Tennis. Europaweit erstmals habe ich diesen polyvalenten Wettkampf sechs Mal mit jeweils über 100 Teilneher*innen organisiert. Später wurde diese Idee auch in Deutschland und Österreich übernommen...

SGL: Apropos: Was ist dein grösster Triumph deiner persönlichen Schach-Karriere? Gibt es eine "Unsterbliche" von Eugen Schwammberger?

ES: Eigentlich beruhte das Schwergewicht meines Schachlebens mehrheitlich auf der Organisation von Schach-Wettkämpfen. Erst nach meiner Pensionierung fand ich vermehrt Zeit, auch selber Turniere zu bestreiten. So gewann ich einige Senioren-Turniere, und einmal wurde ich Schweizer Seniorenmeister.

SGL: In deiner langen Zeit als Schachfunktionär in verschiedenen Gremien bist du wohl vielen interessanten Persönlichkeiten begegnet. Hast du besondere Erinnerungen an einzelne Personen oder Begebenheiten?

SGL: Natürlich habe ich viele nationale und internationale Persönlichkeiten aus der Schachwelt kennengelernt. Zum Beispiel spielte ich mit dem ehemaligen FIDE-Präsidenten Campomanes mehrmals Tennis...

ES: Schätze doch mal: Wie viele Schachpartien hast du in deinem Leben ungefähr gespielt?

SGL: Ohne „Kaffeehaus-‟ bzw. Klub-Partien dürften es sicher über 2000 sein...

ES: Glaubst du, dass das Schach, dem du so viel Zeit gewidmet hast, einen positiven Einfluss auf dein allgemeines Lebensgefühl hatte?

SGL: Mein recht hoher Zeitaufwand für das Schach hat sicher in anderen Belangen Einschränkungen verursacht. Aber auch heute noch, im hohen Alter, trägt das Schach zu meiner Lebensfreude bei.

EUGEN SCHWAMMBERGER in Stichworten
- Geboren 1933
- Kaufmännische Ausbildung
- Jahrzehntelang Berufsoffizier der Schweizer Armee
- Seit über 65 Jahren verheiratet (kinderlos, da Frau und Mann beruflich stark engagiert)
- Jahrelang Präsident verschiedener Vereine
- Fünf Jahre lang Präsident des Aargauischen Schachverbandes
- Jahrzehntelang beteiligt an allen internationalen Schachevents im Raume Luzern
- Hobbys: Fussball, Tennis, Musik (Trompeter in der Harmoniemusik Villmergen) u.a.
- Stellvertretender Leiter diverser Altersheime

(W.E. - 5-12-2023)



Kailash Madhavan


SGL: Lieber Kailash, du bist ja (natürlich) noch nicht so lange Junior bei uns in der Schachgesellschaft Luzern. Trotzdem gehörst du bereits zu unseren "Stammspielern", die sowohl bei internen als auch externen Kämpfen unseres Klubs erfolgreich dabei sind. Erzähl mal: Wann bist du wo geboren, in welche Schulklasse gehst du? Und wie bist du überhaupt zum Schachspiel gekommen?

KM: Ich bin am  25.11.2011 geboren, jetzt gehe ich in die 6. Klasse. Ich und meine Eltern wissen nicht genau, wie ich zum Schach gekommen bin, aber ich denke, ich habe es auf dem Computer gesehen und gefragt, ob ich Schach spielen könnte...

SGL: Eine kleine Fangfrage: Was magst du lieber, Schule oder Schach? ;-)

KM: Beides, ich mag beides gleich gerne. Aber leider ist meine Prioritäten die Schule, dann Schach :-)

SGL: Was ist denn dein Lieblingsfach in der Schule?

KM: Mathe.

SGL: Treibst du neben dem Schach sonst noch Sport?

KM: Ja, ich schwimme gerne. Einmal holte ich in Nidwalden die Silbermedaille!

SGL: Was reizt dich am Schachspielen am meisten? Ist es der geistige Kampf gegen andere? Das gute Gefühl nach einem Sieg? Oder ist es der Spass an tollen Schachzügen?

KM: Ich mag einfach das schachliche Nachdenken während einer Partie.

SGL: Bist du traurig nach einer Niederlage? Oder denkst du dann bereits wieder an die nächste Partie?

KM: Vielleicht für zwei Minuten bin ich traurig, dann denke ich direkt an die nächste Partie.

SGL: Wie viel Zeit in der Woche erübrigst du fürs Schach? Hast du vielleicht eine Lieblings-Trainingsmethode? Was benützt du häufiger: Schachbücher oder Schachprogramme?

KM: Ich zähle nicht, wie lange ich trainiere. Mich interessiert nur die Qualität. Schachbücher habe ich keine, ich benütze nur Schachprogramme.

SGL: Hast du Schach-Vorbilder unter den ganz Grossen unseres Spiels?

KM: Nein, ich habe keine Vorbilder. Ich will selber ein Vorbild und der Beste der Besten sein!

SGL: Auf welche deiner bisherigen Schacherfolge bist du ganz besonders stolz?

KM: Einfach allgemein auf die Qualität meiner Partien. Und auch: Einmal verlor ich die ersten 3 Partien in einem 7-rundigen Schachturnier und wollte schon aufgeben, aber ich gab nicht auf und spielte weiter, dann habe ich gegen meine stärksten Gegner noch gewonnen.

SGL: Zeige uns zum Schluss doch mal eine deiner eigenen Lieblingspartien.

Danke und alles Gute für deine weitere "Karriere"!

(W.E. - 10-02-2023)

 



Toni Gabriel

 

 

SGL: Lieber Toni, deine Person ist aus der Innerschweizer Schachszene schon seit Jahrzehnten nicht wegzudenken, und deine Schach-Aktivitäten sind praktisch überall sichtbar: Du warst Präsident von Schachvereinen, bist häufig als SMM- und IGM-Spieler anzutreffen, bist Turnier- und Spielleiter, bist seit Jahren auch als Senior-Schachspieler in div. Turnieren aktiv - und in der Schachgesellschaft Luzern kennt man dich nicht nur als unverzichtbaren Vize-Präsidenten, sondern v.a. als "Mädchen für alles", das/der überall anzutreffen ist, bei allem mithilft, alles weiss und alles kann :-)
Das Schach nimmt also in deiner Freizeit grossen Raum ein. Wie bist du überhaupt seinerzeit zum Königlichen Spiel gekommen?

TG: Zum ersten Mal mit dem Schach in Berührung gekommen bin ich als 27-Jähriger, also eigentlich relativ spät: In Luzern fand 1977 (im damaligen Kunsthaus Luzern) das Viertelfinal-Kandidatenmatch zur Weltmeisterschaft zwischen  Lew Polugajewski und Henrique Mecking statt. Ich habe da reingeschaut - ohne alle Kenntnisse des Schachspiels. Aber ich wollte es unbedingt lernen und habe es mir dann mittels diverser Schachliteratur beigebracht.

SGL: Was schätzt du persönlich an unserem Schach-Hobby ganz besonders?

TG: In meinem Beruf hatte ich viel Verantwortung und viele Herausforderungen, so dass ich manchmal froh war, wenn ich einen Ausgleich hatte. Im Schachspiel konnte ich mich entspannen und auf andere Gedanken kommen. Dies hat mir sehr geholfen.
Jetzt als Pensionär ist es für mich eine gute Möglichkeit, meine geistige Fitness zu erhalten.

SGL: Trainierst du auch heute noch zuhause, oder zehrst du einfach von deiner langen Erfahrung?

TG: Ich spiele regelmässig Online-Kurzpartien auf der Schach-Plattform Li-Chess. Dies hilft mir, schneller Situationen zu erkennen und Entscheidungen zu treffen. In meinem Alter ist man ja nicht mehr so schnell im Denken...

SGL: Seit wann bist du Mitglied der Schachgesellschaft Luzern?

TG: Ich war ja bis 2008 Präsident des Schachklubs Musegg. Leider hatten wir keinen Nachfolger für mich gefunden, so dass wir den Verein auflösen mussten. Wir haben dann mit der Schachgesellschaft fusioniert bzw. es traten viele Spieler in die SGL ein - ich natürlich auch.  

SGL: Du gehörst als Senior ja zu einer Generation, die nicht mit dem Schachcomputer aufgewachsen ist. Hast du trotzdem moderne Schachprogramme auf deiner Festplatte?

TG: Ich habe eigentlich nur den "Fritz" von Chessbase installiert. Mit diesem analysiere ich manchmal meine Partien. Ich weiss, dass es sogar noch stärkere Tools gibt, beispielsweise "Stockfish". Ich überlege mir diesen nächstens zu installieren, eventuell auch auf meinem Handy, als Mobil-App.

SGL: Was fällt dir auf, wenn du das aktuelle Luzerner Schachleben mit jenem von früher vergleichst? Gibt es bei den Klubs oder auch bei den jungen Schachspielern eine Entwicklung, die dir Sorgen bereitet?

TG: Mir scheint, das Klubleben hat sich generell stark verändert - nicht nur in den Schachvereinen. Das Gesellige ist in den Hintergrund getreten, jede/r schaut mehrheitlich nur mehr für sich. Ein Amt im Vorstand ist nicht mehr erstrebenswert. Darum gab es in der Innerschweiz auch ein grosses Klubsterben.
Wenn wir beispielsweise eine Feier organisieren, kommen nur wenige Spieler. Das gleiche Bild bei der Generalversammlung, die leider von immer weniger Mitgliedern besucht wird.
Dabei gibt es immer wieder junge Spieler, die Schach spielen möchten. Ich glaube aber: Wenn der grosse Erfolg nicht gleich einkehrt, wenden sie sich wieder ab und machen etwas anderes. Dies scheint mir allerdings nicht nur bei Schachklubs so, sondern generell in vielen Sportarten. Das Angebot ist halt heutzutage sehr gross.
Durch die neuen Online-Formate wie "Youtube" oder "Netflix" stelle ich aber ein wieder grösseres Interesse von jungen Spielern am Schach fest. Dies macht Hoffnung für die Zukunft unseres Spiels.

SGL: Die Schachgesellschaft Luzern hatte früher mal weit über 100 Mitglieder, heute sind es noch rund 60. Wie könnte man deiner Meinung nach unser Königliches Spiel für die Jugend wieder attraktiver machen?

TG: Um jugendliche Spieler für einen Schachklub zu gewinnen, braucht es einen engagierten Spielleiter, der die Jungen begeistern und führen kann. Man muss in die Schulen gehen und dort das Schach gut propagieren. Leider ist es schwierig, eine solche Person zu finden. Am besten funktioniert wohl solche Jugendförderung, wenn ein Lehrer sich dafür engagiert. Das zeigen Beispiele immer wieder.
Grundsätzlich kommt man zu mehr Mitgliedern, wenn die Spieler in Mannschaftsmeisterschaften wie IGM oder SMM eingesetzt werden. In der SGL sind wir deshalb daran, wieder mehr Mannschaften anzumelden. Unser Ziel ist es z.B., in jeder Stärkeklasse der SMM mind. eine Mannschaft nominieren zu können.

SGL: Welche Ziele als Schachspieler oder auch als SGL-Funktionär schweben dir noch vor für die Zukunft?

TG: Ganz wichtig für die SGL ist, dass wir die neu aufgegleiste Vereinsmeisterschaft reibungslos zu Ende führen können, und dass wir ausserdem erfolgreich in den unteren SMM-Ligen spielen bzw. für das nächste Jahr weitere Mannschaften nominieren können. Die Suche nach einem Spielleiter sowie einem Jugendleiter hat momentan oberste Priorität.
Meine persönlichen Schach-Ziele? Ich möchte gerne die nächste Innerschweizer Einzelmeisterschaft erfolgreich spielen und generell meine ELO-Punktezahl verbessern.
Und ntürlich hoffe ich ausserdem, dass wir von einer erneuten Corona-Pandemie verschont bleiben...

Zur Person: Anton Gabriel wurde 1950 in Emmenbrücke geboren. Er bildete sich zum Feinmechaniker aus, beruflich war er jahrelang als CEO bei "Printing Solution" tätig.
Neben seinem Hobby Schach pflegt er besonders das Wandern, und er ist ein grosser Fan des FC Luzern. Toni ist seit 48 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Horw.

(WE - 01-09-22)



Ghazal Hakimifard

 

SGL: Liebe Ghazal, 1994 wurdest du in der iranischen Hauptstadt Te­heran geboren, hast dort ver­schiedene Ju­gend- bzw. Frauen-Schach­turniere gewon­nen und für den Iran an diversen Olympiaden ge­spielt. Seit 2016 bist du sogar Frauen-Grossmeisterin. Vor einem Jahr bist du nun definitiv in die Schweiz ausge­wandert. Was ist denn an der Schweizer Schachszene besser als an jener deines Heimatlan­des?

 

GH: 2017 habe ich mich entschieden, meinen Master in Informatik an der ETH zu machen. Seither lebe ich in Zürich. Jetzt habe ich mein Studium abgeschlossen und arbeite als Software Engineer in einer Firma in Basel. Wie du weisst, trage ich den Titel des WGM, was sehr harte Arbeit erfordert. Ich lebe und arbeite in der Schweiz und habe mich entschieden, für die Schweizer Nationalmannschaft zu spielen, um meine Schachkarriere fortsetzen zu können. Ich spiele seit 2020 für die Schweizer Nationalmannschaft und bin sehr glücklich darüber.

 

SGL: Du hast in der zurückliegenden Schweizer Mannschaftsmeisterschaft für die Schachgesell­schaft Luzern in der Nati-A mitgespielt und dabei mit deinem Score von 5/9 wesent­lich zum Ge­winn des Meistertitels beigetragen. Was hatte dich seinerzeit bewogen, ausgerechnet für die SGL zu spie­len?

 

GH: Meine erste Schacherfahrung in der Schweiz war das Lucerne Open im Jahr 2005, und seitdem bin ich Mitglied der SGL. Damals war ich 10 Jahre alt und genoss das Turnier und meine Reise nach Lu­zern sehr. Ich kann mich erinnern, dass mich das Kanonenschiessen auf dem Vierwalds­tättersee zur Schweizer Nationalfeier erschreckt hat… Die Luzerner Schachgesellschaft hat in der SMM ein starkes und motiviertes Team, und das ist mir wichtig. Es ist eine Gelegenheit, mehr zu lernen. An dieser Stel­le möchte ich mich bei den Funktionären der SGL und speziell bei unserem Captain Oli­ver Kurmann für das Engagement bedanken.

 

SGL: Der legendäre Schachweltmeister Bobby Fischer hat 1963 im kanadischen Fernsehen ge­sagt, Frauen seien „schreckliche Schachspieler‟. Seine exakten Worte waren: „Ich glaube, sie sind einfach nicht so klug. Ich glaube nicht, dass sie sich in intellektuelle Angelegenhei­ten einmischen sollten, sie sollten strikt zuhause bleiben‟. Bist du auch dieser Meinung? ;-)

 

GH: Bobby Fischer war und bleibt ein grosser Schachmeister, aber solche Aussagen haben keinen wis­senschaftlichen Hintergrund. Wäre er jetzt noch am Leben, hätte er vielleicht eine andere Meinung oder würde sich vorsichtiger ausdrücken.

 

SGL: Welches sind deiner Ansicht nach die Gründe, warum nicht nur in der Schweiz, sondern welt­weit die Frauen im Schachsport so enorm in der Minderheit sind?

 

GH: Schach wird von Männern dominiert, aber das bedeutet nicht, dass sie schlauer sind als Frauen. Die Statistiken zeigen, dass die Zahl der weiblichen Spieler viel geringer ist. Im Schweizerischen Schachverband zum Beispiel ist das Verhältnis von registrierten männlichen und weiblichen Schach­spielern 4942 zu 346. Aufgrund des geringeren Interesses der Frauen, sozialer und kultu­reller Grün­de und der dominierenden Anzahl männlicher Schachspieler gibt es mehr qualifizierte männliche Schachspieler. Folglich sind die Spitzenschachspieler meistens Männer.


SGL: Was hat dich eigentlich als Kind so fasziniert am Schach? Und welchen Reiz hat für dich nun als er­wachsene Frau das Schachspiel?

 

GH: Es gibt ein Zitat des ehemaligen Schachweltmeisters Anatoly Karpov, das besagt: "Schach ist al­les: Kunst, Wissenschaft und Sport." Schach ist voller Möglichkeiten und versteckter Ideen, die es zu ent­decken gilt. Jede Partie ist wie ein neues Rätsel, das es zu lösen gilt. An einem Tag können eine Mil­lion Partien gespielt werden, aber keine gleicht der anderen. Es ist ein stiller Kampf der Gedanken, der sich auf dem Brett widerspiegelt. Es ist, als ob man einer Armee von Figuren und muss einen Kampf planen. Es geht darum, die Stärken und Schwächen der Stellung zu erkennen und die Figu­ren entsprechend zu koordinieren. Die Entwicklung von Taktiken und die Umsetzung strategischer Ideen, um die Pläne des Gegners zu vereiteln, sind faszinierend. Es macht mir Spass, zu planen und zu versuchen, Probleme zu lösen und die besten Züge während der Partie zu finden. Wenn ich Schach spiele, tauche ich in das Spiel ein und merke nicht, wie die Zeit ver­geht.

 

SGL: Du bist ja nicht Schach-Profi. Wie viele Stunden täglich widmest du dich als Amateurin dei­nem Training?

 

GH: Ich arbeite als Software-Ingenieur. Schach ist sehr anspruchsvoll, und es ist sehr schwierig, beiden Bereichen nachzugehen. Wenn ich an einem Turnier teilnehmen möchte, widme ich dem Schach mehr Zeit. Ansonsten habe ich, glaube ich, etwa 4 Stunden Training im Monat, und wenn alles gut läuft, etwa 5 Stunden Partien-spielen und Schachprobleme-lösen pro Woche.

 

SGL: Welchem Aspekt der Schachpartie widmest du dich bei deinen Vorbereitungen auf ein grös­seres Turnier besonders: Eröffnung, Taktik, Strategien, Endspiel?

 

GH: Ich konzentriere mich hauptsächlich auf das Mittelspiel und das Lösen von Problemen, die eine Mi­schung aus taktischen Ideen, Berechnung, Angriff und Verteidigung sowie strategischen Plänen be­inhalten. Aber natürlich versuche ich auch, meine Schacheröffnungen auf der Grundlage der mit mei­nem Trainer analysierten früheren Partien zu verbessern.

 

SGL: Hast du besondere psychologische oder sportliche Trainingstechniken: Autogenes Training, Jog­ging, Sparring-Partien, Online-Studium, u.a.? Oder arbeitest du mit einem eigenen Trainer zu­sammen?

 

GH: Ich gehe vor meinen Partien immer spazieren, das hilft mir sehr. Ich bin auch dankbar für die mora­lische Unterstützung durch meine Eltern, meine Schwester und einige enge Freunde, die meine Spie­le immer verfolgen und mich bei meinen Turnieren unterstützen.


SGL: Welche Anregungen würdest du einem jungen und talentierten Mädchen mit auf seinen Schachweg geben?

 

GH: Ich denke, es hilft, wenn Schach in der Schule unterrichtet wird. Auch die Medien und die Werbung können einen großen Beitrag leisten. Zum Beispiel wird Schach im Gegensatz zu anderen Sportar­ten nicht live auf Fernsehkanälen übertragen. Kürzlich hat die Netflix-Serie "Queen's Gambit" das In­teresse von Frauen am Schach erheblich gesteigert.
Man stelle sich vor, eine Schachspielerin spielt Simultanschach mit etwa 30 anderen Spielern an ei­nem öffentlichen Ort. Das könnte eine große Inspiration sein. Ich denke, dass diese Art von Ver­anstaltungen die Zahl der weiblichen Schachspieler allmählich erhöhen kann und wir schliesslich immer mehr weibliche Grossmeister unter den Spitzenspielern der Welt haben werden.

 

SGL: Hast du ein besonderes Vorbild unter den berühmten Schachspielerinnen, und wenn ja: War­um aus­gerechnet sie?

 

GH: Judit Polgar. Sie ist die stärkste Spielerin aller Zeiten und hat alle Aussagen über die Intelligenz von Frauen widerlegt.


SGL: Was sind deine nächsten sportlichen Karriere-Ambitionen als Schachspielerin?

 

GH: Ich denke, der GM-Titel (der Männer) ist das Ziel jedes/r Schachspielers/in, aber ich möchte Schritt für Schritt vorgehen. Ich habe bereits eine IM-Norm und möchte, wenn möglich, in den nächsten Jah­ren den IM-Titel erreichen. Mein kurzfristiges Ziel ist es, bei der kommenden Schacholym­piade gut abzuschneiden. ■

Das Interview wurde auf englisch geführt, hier geht's zur deutsch/englischen Fassung .

 

Zur Person: Ghazal Hakimifard wurde 1994 in Teheran geboren. Ihr erster grosser Schach-Erfolg war im Jahre 2007, als sie bei den Asian Youth Chess Championships die Bronzemedaille in der Gruppe der Mädchen U14 gewann.


Den Titel als Internationale Meisterin der Frauen (WIM) führt sie seit 2011. Von 2010 bis 2016 spielte sie für den Iran bei der Schacholympiade der Frauen. Beim 87. FIDE-Kongress 2016 in Baku wurde ihr der Grossmeistertitel der Frauen verliehen.

 

Ghazal Hakimifard führt aktuell  die Schweizer Elo-Rangliste der Frauen an, ihre höchste Elo-Zahl war 2308 im September 2016.

 

Der Wikipedia-Artikel über Ghazal Hakimifard hält fest (Zitat):

"Ghazal Hakimifard gehört neben der iranischen Schachspielerin und Schiedsrichterin Shohreh Bayat und dem besten iranischen Spieler Alireza Firouzja in die Gruppe iranischer Schachspieler, die aus sportpolitischen Gründen den Iran verlassen haben".

(Iranischen Schachspielern ist es vom Iranischen Schachverband nicht gestattet, gegen Schachspieler aus Israel anzutreten. Auf vielen Turnieren wurde dieser Konflikt umgangen, indem man die Auslosung Runde für Runde neu durchführte, um Paarungen zwischen Iranern und Israelis zu vermeiden. Die FIDE-Führung hat darauf hingewiesen, dass sie diese Praxis nicht mehr dulden wird. Die iranischen Spieler sind nun häufiger gezwungen, ihre Partien wegen Nichtantretens verloren zu geben).

2020 wanderte Ghazal Hakimifard endgültig in die Schweiz aus und spielt seitdem für die Schweizer Frauen-Nationalmannschaft. Seit einem Jahr ist sie Mitglied der Schachgesellschaft Luzern und spielt für unseren Klub in der obersten Liga der nationalen Mannschaftsmeisterschaft. Mit der SGL-Mannschaft eroberte sie Ende 2021 den Schweizer Meistertitel.

(WE - 24-01-22)



Jörg Schmid

Lieber Jörg, du wurdest vor rund einem Jahr (und mitten in der Corona-Pandemie) zum neuen Präsidenten der Schachgesellschaft Luzern gewählt. Wie hast du dein erstes Präsidialjahr der SGL erlebt, mit welchen Schwierigkeiten hattest du besonders zu kämpfen?

JS: Die verschiedenen Lockdowns 2020 und 2021 haben das Schachspielen stark behindert, etwa weil sportliche Anlässe zeitweise verboten und Restaurants geschlossen waren, mit Einschluss unseres Club-Lokals. Die Schweizerische Mannschaftsmeisterschaft (SMM) 2020 fiel gänzlich aus, und das Club-Leben ruhte. In dieser Zeit hat der Vorstand brieflich oder per E-Mail den Kontakt mit den Mitgliedern zu halten versucht, und einige Spieler haben sich an Online-Turnieren beteiligt. Das Präsenz-Schachleben kommt erst nach und nach wieder in Bewegung.

Das Schachspiel hatte auch schon grösseren Zulauf in der breiten Bevölkerung, und Corona macht es den Verbänden und Klubs erst recht schwer. Vor welchen Herausforderungen stehen aktuell die Schweizer Schachvereine?

JS: Die Schachgesellschaft Luzern und auch die übrigen Schachvereine unternehmen grosse Anstrengungen, das Club-Leben wieder zu intensivieren. Schach soll wieder im "Präsenz-Modus" möglich sein. Ausserdem stehen alle Clubs mit NLA-Mannschaften auch vor finanziellen Herausforderungen, v.a. weil die öffentliche Hand und private Donatoren ihre Beiträge reduziert haben.

Ist die vermehrte Präsenz mancher jugendlichen Schachfreunde in den Online-Spielangeboten ein Problem für die Vereine? Oder hat sie auch positive Effekte auf das Spielniveau?

JS: Die Online-Schachangebote haben es ermöglichst, schachlich aktiv zu bleiben und zu trainieren, was insbesondere die jüngeren Schachspieler genutzt haben. Dem kann ich durchaus positive Aspekte abgewinnen. Wichtig ist aber, dass nach und nach auch die Club-Abende und die Präsenzturniere wieder durchgeführt und von zahlreichen Spielern besucht werden. Hier sind wir im Moment auf gutem Kurs; auch Juniorinnen und Junioren sind wieder dabei.

Schweben dir für die Schachgesellschaft Luzern bestimmte Zielsetzungen vor, hast du besondere Schwerpunkte für das Vereinsleben?

JS: In Absprache mit dem gesamten Vorstand möchte ich das Clubleben wieder intensivieren (Vereinsturnier, Themenabende usw.), die Position der 1. Mannschaft in der Nationalliga A sichern und das Juniorenschach fördern. Dazu gehören wie für jeden Verein auch gesunde Finanzen. An allen diesen Punkten arbeiten wir intensiv.

Zur Person: Prof. Dr. Jörg Schmid wurde 1959 in Luzern geboren. In der SGL spielt er seit 1975 mit, derzeit mit einem ELO-Rating von ca. 1930. Nach der Matura, dem juristischen Studium und dem Erwerb des Anwaltspatents war er zunächst tätig am Gericht. Seit 1992 ist er Professor für Privatrecht, zunächst an der Universität Freiburg, seit 2001 an der Universität Luzern. Seine weitere Hobbys sind u.a. das Wandern und die klassische Musik.

(WE - 10-11-21)